Britisch - Centralafrika
Als Livingstone den Schire und Nyassa erforschte, lag es ihm fern, dies
neuentdeckte Land irgendwie in ein Abhängigkeitsverhältnis von England
zu bringen. Was er und sein Auftraggeber, das englische Volk, wünschten,
war, dem Land die Wohlthaten christlicher Gesittung zuzuführen und als
Gegengabe handelsfähige Rohprodukte für den Welthandel zu erhalten. So
weit ging damals die Abneigung gegen irgend welche koloniale Aspirationen,
dass man Livingstones Plan der Besiedelung des Schire - Hochlands durch
englische Arme verwarf um nicht zur Ausrichtung einer Kolonie am Schire
gedrängt zu werden.
Auch die Missionsgesellschaften, welche später in die Arbeit
eintraten, hielten sich von jeder Einmischung in die politischen
Verhältnisse des Landes mit fast peinlicher Sorgfalt fern. Die
freischottischen Missionare hatten strenge Instruktionen, auch nicht
einmal den Schein aufkommen zu lassen, als wollten sie sich neben,
geschweige denn über die lokalen Autoritäten stellen. Ihre
Missionsstationen unterstanden der Gerichtsbarkeit der betreffenden
Häuptlinge, und die gesammelten Christen blieben Unterthanen ihrer
früheren Machthaber. Im wesentlichen dieselbe Stellung wurde nach kurzem
Schwanken auch den Missionaren der schottischen Hochkirche und der
Universitäten - Mission vorgeschrieben. Darum hatte man ja den
verlockenden Plan fallen lassen, die Missionsstationen zu Mittelpunkten
von Kolonien zu machen, um welche sich die Eingeborenen in Scharen sammeln
sollten; weil die Ausführungen dieser Idee die Missionare zu kleinen
Häuptlingen, mithin zu Rivalen der Stammeshäuptlinge gemacht hätte.
Die Afrikanische Seengesellschaft endlich war lediglich eine von
humanen Prinzipien geleitete und humanen Zwecken dienende
Handelsgesellschaft. Ihre Grundidee war Livingstones Parole, den
Sklavenhandel durch Einführung eines gesetzmäßigen Handels zu
bekämpfen. So hatte auch sie kein wesentliches Interesse daran,
Hoheitsrechte sich im Lande zu erwerben. Die englischen Konsule, welche am
Nyassa stationiert waren, hatten außer der Aufgabe, Leben und Eigentum
der im Lande befindlichen Engländer nach Kräften zu schützen, auch nur
die ideale Aufgabe, dem Sklavenhandel entgegenzuwirken und Frieden unter
den Eingeborenen herzustellen. So war in dem ersten Vierteljahrhundert der
englischen Verbindung mit dem Nyassaland (1859 bis 1885) kein Versuch
gemacht, in irgend welcher Weise eine Herrscherstellung im Lande
einzunehmen.
So kam die koloniale Ära. Europa gefiel sich in dem Gedanken, in
Afrika sei noch unendlich viel herrenloses Land, und es sei höchste Zeit
allen diesen Gebieten die Wohlthat des Protektorates einer Kulturmacht
zuzuwenden. Die europäischen Großmächte teilten Afrika unter einander;
wem sollte das Nyassa-Land zufallen?
Es kam, verständlich betrachtet, nur eine Macht in Frage: England.
Briten hatten das Land entdeckt und erforscht; alle Niederlassungen im
Lande waren englisch. Hatten auch die Engländer bis dahin keine
Herrschaftsstellung, hatten sie nicht einmal den Versuch gemacht, eine
solche zu erwerben, so waren sie doch die Wohlthäter des Landes gewesen.
Aber die Portugiesen waren nicht geneigt, den Engländern den Raub
leichten Kaufes zu überlassen. Die Portugiesen hatten von Anfang an mit
argwöhnischen Augen das Eindringen der Engländer mit angesehen; Sie
hatten mit Eifersucht alles beobachtet, was sich die Engländer am Nyassa
und Schire zu schaffen machten. Zu nahe war ihnen ja Livingstone wahrlich
nicht getreten, außer dass er den Schleier von ihrem schändlichen
Treiben weggezogen und sie der Verachtung der Welt preisgegeben hatte.
Aber sie hatten einmal die fixe Idee, dass alles Land vom Atlantischen bis
zum Indischen Ozean, von Angola bis Mozambique ihnen gehöre,
portugiesische Kolonie sei. Sie hatten in diesem ungeheuren Gebiet absolut
nichts zu sagen, ihre Macht reichte nirgends weiter, als die Kanonen ihrer
Forts, ihre Kaufleute und Grundbesitzer mussten den eingeborenen
Häuptlingen Zoll und Steuer zahlen. Ja, die ganze Kolonie kostete der
Krone Portugal wesentlich mehr für Verwaltung und Militär, als das Land
irgend jemand einbrachte. Aber wenn auch die Portugiesen nichts von dem
Lande hatten, so gönnten sie es doch erst recht anderen nicht. Sie
machten einen energischen Versuch, das ganze Schire- und Nyassa-Land unter
portugiesisches Protektorat zu bringen.
Wir hören sonst von diesen Ländererwerbungen der kolonialen Ära in
der Regel nur durch Vermittelung derer, welche die Akquisitionen gemacht
haben; da sieht alles so friedlich aus und scheint so glatt zu gehen. Es
ist deshalb interessant, im Nyadda - Land den Kampf um das Protektorat
nach den Briefen der mitten in den Verhältnissen stehenden Missionare zu
verfolgen, um dadurch gleichsam einen Blick hinter die Kulisse zu werfen.
Die ersten Projekte der Portugiesen sollten wohl nur dazu dienen, dem
nicht eingeweihten Publikum Sand in die Augen zu streuen. Sie planten eine
Chaussee von Kilimane über Land nach Blantyre und später eine Eisenbahn
längs des Schire durch das Makololo - Land. Von der Chaussee ist gar
nichts sichtbar geworden, von der Eisenbahn wurde wenigstens die Bahnlinie
abgesteckt. Damit war es dann freilich auch genug.
Da kamen den Portugiesen die Wirren von Nordende des Nyassa zu statten.
Während die Seengesellschaft alle Hände voll bei Karonga zu thun hatte,
machten die Portugiesen den Versuch, den Sambesi zu sperren. Sie belegten
den Sambesi-Dampfer der Seengesellschaft mit Beschlag. So waren sie die
natürlichen Bundesgenossen der arabischen Sklavenhändler, hatten sie
doch mit ihnen dasselbe Interesse, die Schotten vom Nyassa zu verdrängen.
Gerade die Schwierigkeiten, auf dem Sambesi Proviant und Munition für die
Truppen am Nyassa zu schaffen, erscherte die Operation der
Seengesellschaft aufs äußerste.
Bald gingen die Portugiesen direkter ans Werk. Im Jahre 1888 machte
sich Senhor Cardoso auf der Landroute auf den Weg und kam bis zu einem der
Unterhäuptlinge Makanjiras. Diesen bewog er dazu, das portugiesische
Protektorat anzuerkennen und die portugiesische Flagge zu hissen. Das
bekam allerdings diesem Häuptling schlecht. Sobald Makanjira davon
gehört, ließ er ihn absetzen und die portugiesische Fahne wieder
einziehen.
Im nächsten Frühjahr (1889) kehrte Senhor Cardoso mit bedeutenden
Vorräten an Tauschwaren, Munition und Spirituosen zum Nyassa zurück.
Jetzt machte er sich systematisch an alle Häuptlinge im Osten und Süden
des Sees, von Mponda bis Chitesi. Die einen besuchte er persönlich; den
anderen ließ er seine Botschaft durch Gesandte mitteilen. Überall teilte
er glänzende Geschenke aus, besonders die den Häuptlingen so äußerst
willkommenen Flinten und Pulverfässer; überall drängte er die
Häuptlinge, ihren Handel nach Kilimane zu dirigieren, weil dort die
Karawanen alle ihre Produkte loswerden und die Waren einhandeln können,
die ihnen am liebsten wären. Ob er direkt dem Sklavenhandel das Wort
redete und Kilimane als Absatzgebiet für sie empfahl, lässt sich nicht
nachwiesen. Jedenfalls stellte er ihnen wie Pulver und Gewehre, so
Brandwein in Menge in Aussicht. Überall aber war die Bedingung, an welche
diese glänzenden Versprechungen geknüpft waren, das Hissen der
portugiesischen Flagge. Dass sie damit die portugiesische Oberherrschaft
anerkannten, und dass sie sich in den Briefen, die er ihnen zur
Unterschrift vorlegte, für das portugiesische Protektorat aussprachen,
hütete er sich wohl, ihnen auseinander zusetzen. Die Absicht des ganzen
Unternehmens war offenbar, vor den Augen der politischen Welt scheinbare
Rechtstitel zu erwerben und den Handel des ganzen Landes nach Kilimane zu
leiten.
Das Unternehmen misslang aber. Die Missionare der Universitäten -
Mission, wiewohl prinzipiell jeder Einmischung in die Politik abhold,
hielten es für ihre Pflicht, den irregeleiteten Häuptlingen die
Konsequenzen ihrer Handlungsweise klar zu machen, und sie besonders davor
zu warnen, unüberlegt die portugiesische Flagge zu hissen, Ihre
Vorstellung hatten dann auch bald genug den Erfolg, dass alle Häuptlinge
ohne Unterschied, selbst Makanjira, die portugiesische Flagge
zurücksandten oder verbrannten und Cardoso Botschaft sandten, dass sie
wohl gern die guten Dinge der Portugiesen kaufen würden, aber nicht daran
dächten, sich unter portugiesische Herrschaft zu stellen. Damals war noch
der englische Einfluss am See unbedingt herrschend.
In jener Zeit langte fast keine Karawane am Ostufer des Nyassa an, die
nicht eine Flagge zu übergeben hatte, Flaggen der Engländer, der
Franzosen, der Portugiesen, der Deutschen, selbst des Kongostaates. Die
Häuptlinge am See mussten sich ordentlich großartig vorkommen bei
diesem Wettbewerb um die Freundschaft. Die Entscheidung war in ihren Augen
nicht einfach. Einen Eindruck hatten sie eigentlich nur von der Größe
der Engländer. Aber diese waren die Feinde der Araber, der Einzigen, die
sie bisher mit allen wünschenswerten Produkten der Kultur versorgt, und
Gegner des Sklavenhandels, des einzigen Gewinnbringenden Handels, den sie
zu treiben verstanden. Kann man es heidnischen Häuptlingen verdenken,
wenn sie sich in ihrem Herzen mehr auf dei Seite der Portugiesen neigten,
welche im wesentlichen denselben Handelsgrundsätzen zu huldigen
erklärten, wie die Araber?
Da aber Cardosos Unternehmen die gewünschten Erfolge nicht gehabt,
planten die Portugiesen eine große kriegerische Aktion gegen das
Schirethal. Cerpa Pinto, der berühmte portugiesische Forschungsreisende
wurde an die Spitze gestellt. Unter dem Schein einer wissenschaftlichen
Expedition wurden ihm anderthalb tausend eingeborener Truppen, zwei
Kanonenboote und alles Zubehör beigegeben. Diesmal aber kamen die
Engländer den Portugiesen zuvor. Während Lord Salisbury am 26. November
1889 erklärte, dass er den Portugiesen das Nyassa-Land nicht lassen
werde, eilte der Konsul Johnston vor dem portugiesischen Herrn her und schloss
zunächst mit den Makololofürsten, den alten treuen Freunden der
Engländer, Verträge und hisste überall die englische Flagge, dann eilte
er weiter zum Nyassa und gewann vor allem den mächtigen Jumbe in Kotakota
durch das Versprechen einer bedeutenden jährlichen Pension, man sagt 4000
oder 6000 Mark. Schließlich gelang es ihm auch, mit den aufständischen
Arabern am Nordende des Sees fertig zu werden. Als er am 22. Oktober 1889
in Karonga die englische Flagge hisste, war das englische Protektorat
über das ganze weite Gebiet von der Mündung des Ruo in den Schire bis
Karonga erklärt. Nur das Ostufer des Nyassa hatte Johnston sich selbst
überlassen.
Cerpa Pinto kam zu spät. Als er am Ruo anlangte, wehte ihm jenseits
schon die englische Fahne entgegen. Er wollte sich damit nicht begnügen,
sondern erklärte den Makololo den Krieg. In dem ersten Treffen gelang es
ihm auch ohne Schwierigkeit, den nächsten Makololohäuptling empfindlich
zu schlagen, so dass dieser, wütend, dass er von den Engländern im Stich
gelassen sei, die englische Flagge zerriss. Aber sei es, dass Cerpa Pinto
die Vergeblichkeit weiterer Versuche einsah, sei es, dass er Befehle von
hause erhielt, er kehrte nach Kilimane zurück.
So war also der wichtigste Teil des Nyassa - Landes, das obere
Schirethal und die gesamte Westküste des Sees für die Engländer
gerettet. Es kam nur noch darauf an, die Interessensphären mit den
angrenzenden Kolonialmächten, Deutschland im Nordosten und Portugal im
Südosten, abzugrenzen.
Am 1. Juli 1890 wurde das deutsch-englische Abkommen unterzeichnet. Wir
können in Bezug auf diesen Teil unserer Kolonie Deutsch-Ostafrika mit
demselben durchaus zufrieden sein. Uns ist der schönste Teil der reichen
Konde - Ebene am Nordende des Sees zugefallen, gerade das Land, das vor
den Gräueln des Sklavenhandels zuberwahren, die Schotten sich hatten so
sauer werden lassen. Auf der anderen Seite sind uns freilich auch die
Magwangwara, die Quälgeister des Landes, zugesprochen. Es wird eine
große Aufgabe unserer kolonialen Regierung sein, dies unruhige
Räubervolk zu einem sesshaften Leben zu gewöhnen.
Kurze Zeit darauf ist auch die englisch-portugiesische Konvention
unterzeichnet. Den Portugiesen ist im wesentlichen die ganze
dichtbevölkerte Ostküste zugesprochen; nur ihren alten Feind, Kamanjira,
den Beleidiger des Konsuls Buchanan, haben sich die Engländer
vorbehalten.
Die Portugiesen sind mit dieser Entscheidung wenig zufrieden; und da
sie nicht Macht haben, die Engländer wesentlich zu schädigen, so legen
sie sich auf allerlei Intrigen und Schikanen, welche den Engländern, auch
den Missionaren das Leben schwer machen. Ihnen sind 3% Zoll für alle den
Sambesi passierenden Waren einzuräumen. Welch eine Gelegenheit, alle
Kisten und Büchsen zu öffnen. Einmal konfiszierten sie einem Missionar
sogar seine Bibeln und Bibelteile unter dem Vorwand, das sei Konterbande.
Ein andermal enthielten sie einem anderen seine Flinte und Revolver vor
mit der Behauptung, Schießwaffen einzuführen sei nicht erlaubt. Von den
Briefen geht in Kilimane ein großer Teil verloren und dergl. mehr. Es
fragt sich nur, wie lange die Engländer sich solche Schikanen gefallen
lassen.
Die Engländer sind inzwischen mit erstaunlicher Energie ans Werk
gegangen, die ihnen nominell zufallenden Gebiete auch faktisch in Besitz
zu nehmen. Konsul Johnston wurde zum General-Konsul des Nyassa - Landes,
ein bisheriger Beamter der Seengesellschaft Sharpe zum Vicekonsul ernannt.
Johnston eilte nach Sansibar, um sich mit einem Stabe europäischer
Offiziere und einer genügenden Polizeimacht von Eingeborenen zu umgeben.
Wir bedauern, dass er als Soldat 150 Sklaven in seinen Dienst genommen
hat, ohne ihnen die Freiheit zu verschaffen. Bisher hat jeder Engländer
im Nyassa-Land seine Hände sorgfältig frei und unbefleckt von jeder Art
der Sklaverei gehalten, und das ist ihr Ruhm gewesen. Es wird einen
seltsamen Eindruck auf die Häuptlinge machen, wenn eine Armee von Sklaven
ins Land geführt wird, um den Sklavenhandel zu unterdrücken. Mit dieser
stattlichen Schar ist Johnston in diesem Frühjahr (1891) im Schire -
Hochland angekommen. Wie um den Engländern entgegen zukommen, hat sich
seit Livingstons Zeiten das Sambesi-Delta so verändert, dass jetzt wieder
eine neue, ohne zu große Schwierigkeiten passierbare Mündung, die Chinde
- Mündung, vorhanden ist. Diese hat Johnston sofort zu einer neuen
Station und zu einem Haltepunkt für die beiden großen englischen
Dampflinien gemacht. Wenn die Chinde - Mündung sich bewährt, werden die Engländer
wahrscheinlich ihren ganzen Verkehr von Kililmane weg hierher verlegen,
und der alte Wunsch Livingstons, eine offene Straße vom Meer nach dem
Sambesi, wäre erfüllt. Der Anfangspunkt des englischen Gebietes, Chiromo
an der Ruo - Mündung ist zu einem Fort ausgebaut. Gegenüber weht die
portugiesische Flagge, und die portugiesischen Kanonen machen immer noch
von Zeit zu Zeit einen vergeblichen Versuch, die freie Schiffahrt der
englischen Schiffe zu stören. Shiromo ist zu einem englisch Hauptpostamt
mit direkter telegraphischer Verbindung nach Kililmane geworden. Mandala
und Zomba sind gleichfalls zu Postämtern erhoben. Mit der Ankunft der
englischen Polizeimacht hat auch eine ordentliche Einwanderung von
Pflanzern und Goldsuchern im Schirehochland stattgefunden. Ein großer
Teil des Grundbesitzes von Schire an bis nach den Milandji - Bergen hin
ist bereits in englischen Privatbesitz übergegangen. Mehrer
Erforschungsexpeditionen unter Führung des berühmten englischen
Reisenden Joseph Thomson und anderer haben das Land von Blantyre und
Bandawe aus nach Westen bis in die Gegend des Bangweolo - Sees
durchstreift, um auch die bisher noch verschlossenen Gebiete dem
englischen Handel zu eröffnen. Die schottische Seengesellschaft konnte
einer derartigen Entwicklung nicht gleichgültig gegenüber stehen, wenn
sie nicht ihre bisherige Führerstellung im Lande einbüßen wollte. Sie
soll sich mit der großen, englischen südafrikanischen Gesellschaft im
Mashona - Land verbündet haben und im Begriff stehen, sich mit dieser
unter dem Vorsitz des Premierministers des Kaplandes Sir Rhodes zu einer
großen, leistungsfähigen Gesellschaft zusammenzuschließen.
Unzweifelhaft steht das ganze Nyassa-Land an der Schwelle einer
großartigen Umwälzung. Ob diese zum Segen für die Eingeborenen und zum
Heil der Mission ausfallen wird, wer mag es im voraus bestimmen? Wir
müssen dringend wünschen, dass jeder Engländer, der nach dem
Nyassa-Land geht, sich erinnerte, dass alle bisherigen Unternehmungen in
diesem Lande von Livingstone an zum Wohle der Eingeborenen bestimmt und in
christlich-humanem Geist durchgeführt wurden. Hier am Nyassa ist
unbestritten die Mission die Bahnbrecherin der Kultur gewesen. Dei Mission
hat das haus gebaut, von welchem die englische Politik nun ohne
Schwertstreich Besitz genommen hat. Möchten doch die jetzigen Gewalthaber
dessen eingedenk bleiben, damit die Gesichtspunkte und Grundsätze der
Mission maßgebend bleiben im Lande.
Werfen wir noch einen Blick auf den jetzigen Zustand des Nyassa -
Landes, so sind es drei Mächte, die dort Hoheitsrechte auszuüben berufen
sind, neben den Engländern wir Deutschen und die Portugiesen. Dei
Engländer haben bisher ihren Einfluss in edelmütiger Weise dazu
verwendet, den Eingeborenen wohl zu thun und ihnen nur das von der
europäischen Kultur zuzuführen, was ihnen heilsam ist. Hoffentlich
werden wir Deutschen dem edlen Vorbilde nacheifern und unsere koloniale
Aufgabe am Nyassa nicht darin suchen, die Reichtümer des Landes
auszunutzen, sondern den Eingeborenen zur Hebung derselben behilflich zu
sein.
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Die beiden neuesten deutschen Missionsunternehmungen.
Nur im Vorübergehen erwähnen wir, dass sich im Jahre 1890 vier
katholische Missionare, Weiße Väter aus den algerischen Missionen des
Kardinals Lavigerie, im Lande Mpondas am Südende des Nyassa - Sees
niedergelassen haben. Die evangelischen Missionare sowohl der schottischen
Staatskirche wie der englischen Universitäts-Mission sind ihnen mit
großer Freundlichkeit entgegengekommen und haben ihnen alle ihre
Hilfsmittel zur Erlernung der Pao - Sprache zur Verfügung gestellt. Dei
Missionsfreunde in der Heimat konnten dieses eindringen einer katholischen
Mission in evangelisches Missionsgebiet besonders deshalb nur mit
geteilter Freude begrüßen, weil die Weißen Väter von einem ganz
verschiednen Missionsprinzip geleitet werden und deshalb besonders dem
Sklavenhandel gegenüber eine geradezu entgegengesetzte Praxis befolgen.
Die Herrn scheinen sich aber in Mpondas Lande nicht wohl gefühlt zu
haben. Der neueste Brief Johnsons vom 9. Juli dieses Jahres (1891)
enthält die kurze Notiz: "Die französischen Väter haben Mponda
verlassen"
Um so lebhafter ist unsere Freude, dass in jüngster Zeit zwei deutsche
evangelische Missionsgesellschaften in das mit reichem Segen gekrönte
Arbeitsfeld eingetreten sind, die Berliner (I) Südafrikanische
Missionsgesellschaft (Wangemann) und die Brüdergemeinde. Bei beiden sind
es wunderbare Wege Gottes gewesen, die sie auf dies Feld führten.
Sobald ein großer Teil Ostafrikas deutscher Besitz geworden war, trat
an Berlin I dei Frage heran, ob es nicht auch seine Pflicht sein, den
schwarzen Landsleuten, die der Hilfe so sehr bedurften, das Beste von der
europäischen Kultur, das Christentum, zu bringen. Während aber die
Väter dieser Gesellschaft wegen der äußerst unfertigen Zustände in der
Kolonie noch eine vorsichtige, zurückhaltende Stellung einnahmen, bildete
sich in Berlin eine neue, eigens für Deutsch-Ostafrika bestimmte
Missions-Gesellschaft, Berlin III (Diestelkamp - Graf Bernstorff).
trotzdem gab Berlin I den Wunsch nicht auf, in Ostafrika in die
Missionsarbeit einzutreten, indem es hoffte, die noch schwache
ostafrikanische Missionsgesellschaft mit sich zu verschmelzen. Allein
diese Hoffung scheiterte einsteils an dem Widerstanden dieser
Gesellschaft, ihr großes Krankenhaus in der Stadt Sansibar aufzugeben, andernteils
an dem Zuwachs an Ansehen und Einfluss, den die Gesellschaft durch das
Eintreten des Pastors von Bodelschwingh für ihre Bestrebungen erhielt.
Als die Verhandlungen zwischen den beiden Berliner Missionsgesellschaften
definitiv gescheitert waren, entschloß sich die erste Gesellschaft, auf
eigene Hand eine neue Mission in Ostafrika zu beginnen. Bei der Auswahl
des Arbeitsgebietes wollte sie zugleich möglichst fern von Dar-es-Salam,
der Hauptstation von Berlin III und jenseits der Sphäre des
muhammedanischen Einflusses einsetzen; das eine, um jede Möglichkeit der
Reibung und Eifersüchtelei auszuschließen; das andere, weil sich
überall da die Missionsarbeit als fast hoffungslos erwiesen hat, wo der
Islam die Herzen hart gemacht hat. Diese Erwägung richteten die Blicke
des Komitees auf die gesegneten Gefilde des Wankonde - Landes am Nordende
des Nyassa. Was von diesem Lande und seinen Bewohnern bekannt geworden
war, klang so viel versprechend, so überaus günstig, dass es schien, als
könne kein glücklicherer Ort gewählt werden. Allerdings lag dieses
Gebiet 150 Meilen von der Küste des Indischen Ozeans entfernt, aber der
Sambesi und Schire und vor allem der 70 Meilen lange Nyassa bot eine so
vorteilhafte Wasserstraße, dass dieser Nachteil aufgehoben erschien. Der
im Missionsdienst bewährte Superintendent Merensky wurde Ende
November 1890 nach London, Glasgow und Edingburg geschickt, teils um mit
den leitenden Persönlichkeiten der drei englischen Missionsgesellschaften
persönliche Beziehungen anzuknüpfen, teils um alle notwendigen
Erkundungen über die Zusammensetzung der auszusendenden
Missionsexpeditionen, ihre Ausrüstung, die Verpackung und den Transport
der Waren und dergl. mehr einzuziehen. Er fand besonders bei den
Vertretern der schottischen Freikirche ein so überaus freundliches
Entgegenkommen, dass darin das Komitee seiner Gesellschaft eine deutlich
Bestätigung dafür fand, dass sie auf dem rechten weg seien.
Während dies in Berlin im Missionshause am Friedrichshain ernstlich
erwogen wurde, war die wackere Missionsgemeinde in Herrnhut durch ganz
andere Umstände nach Nyassa gewiesen. Im Jahre 1887 starb in Breslau ein
unbekannter Privatmann Namens Herman Adolf Daniel Grakau und übermachte
in seinem Testament der Brüdergemeinde, mit der er in gar keiner
Verbindung gestanden hatte, ein Kapital von 800 000 Mark unter der
Bedingung, dass sie die Hälfte der Zinsen dieses Kapitals zu
Missionszwecken und die andere Hälfte zum Loskauf von Sklaven verwende.
Ungefähr zu gleicher Zeit, als dieser unverhoffte Segen ihnen zuviel,
wurden ihnen weitere 48 000 Mark speziell für eine Mission in Ostafrika
zugewandt, und die Synode der Brüdergemeinde 1889 ermächtigte die
Missionsleitung, die Hälfte des wenige Jahre zuvor gesammelten
Jubiläumsfonds für Zwecke der Heidenmission zu verbrauchen. Die
Missionsleitung sah in diesem außerordentlichen Zufluss von Geldmitteln
einen Fingerzeig Gottes, ein neues Missionswerk in Angriff zu nehmen. Der
damals erfolgende Abschluss der englisch-deutschen Konvention (1.Juli
1890) richtete die Augen auf Deutsch-Ostafrika, und ähnliche
Überlegungen wie bei Berlin I ließen sie den Südwestzipfel des
deutschen Schutzgebietes am Nyassa allen anderen Gegenden vorziehen.
Nun lag ja eine gewisse Gefahr darin, wenn zwei deutsche
Missionsgesellschaften zu gleicher Zeit in dasselbe Arbeitsfeld
einzutreten beabsichtigen, zumal dasselbe bereits durch eine provisorische
Station der schottischen Freikirche (Kararamuka) mit Beschlag belegt war.
Aber gerade Dr. Kerr-Groß, der Missionar von Kararamuka, kam den Deutsch
mit einer höchst anerkennenswerten Freundlichkeit entgegen und hieß die
Bundesgenossen in dem gemeinsamen Kampfe gegen das Heidentum und die
Sklaverei willkommen. Und die beiderseitigen Vertreter von Berlin I und er
Brüdergemeinde schlossen in herzlicher Gemeinschaft und unter brünstigem
Gebet eine Übereinkunft (10.Jan. 1891), durch welche sie
"vorbehaltlich der Führung Gottes ungefähr den 34. Längengrad
östlicher Länge als die Grenze bestimmten, von welcher ab westlich die
Brüdergemeinde, östlich Berlin I ihr Arbeitsgebiet suchen solle."
Sie versprachen, "einander bei ihrer Arbeit gegenseitig förderlich
und behilflich zu sein und einander zu dienen, wo und wann sie können,
zur Ereichung des einen Zieles, das Ausbreiten des Reiches unsers
hochgelobten Herrn Jesu Christi." Selten haben sich drei Missionen
auf demselben Feld mit gleicher, brüderlicher Einigkeit die Hand
gereicht, um getrennt zu arbeiten zum Sieg über den gemeinsamen Feind.
Sobald die Präliminarien erledigt waren, gingen beide
Missionsgesellschaften an die Aussendung der ersten Missionare. Die
Brüdergemeinde war die erste auf dem Plan. Ihre Boten, vier an der Zahl,
reisten am 15. April 1891 von Neapel ab und erreichten nach einer über
alle Erwartungen schnellen Reise am 20. Mai Kilimane und am 8. Juni
Mandala - Blantyre. Sie werden voraussichtlich am 20. Juni Karonga am
Nordende des Sees und wenige Tage später Kararamuka erreicht haben.
Die Expedition von Berlin I nach Deutsch-Ostafrika 1891
stehend: Rorig - Nathanael - Bunck - Krause - Afrika - C. Nauhaus
sitzend: Merensky - Franke - Schumann - Th. Nauhaus
Die Abreise der Berliner Missionare verzögerte sich um einige Wochen;
sie hatten es auch umständlicher, weil sie nicht die Route über Aden und
Sansibar, sondern die weitere um das Kap herum zu nehmen hatten. Ihr Korps
war ein stattliches. An der Spitze stand Missionssuperintendent
Merensky, ein Veteran im Missionsdienst. Ihm waren vier junge
Missionare, Franke, Schumann, Nauhaus und Bunk,
beigeordnet. Zwei davon Schumann, der Sohn des Missionars Schumann in
Stendal (Natal), und Nauhaus, der Sohn des Superint. Nauhaus in
Botschabelo (Transvaal), sind Kinder Afrikas und sprechen, der eine Sulu,
der andere Sessuto wie ihre Muttersprache. Da nun auch Merensky das Sesuto
vollständig beherrscht, und Br. Franke schon ein Jahr in Natal die Sulu -
Sprache erlernt hat, so haben unsere Missionare große Hoffnung, die
verwandten Sprache am Nyassa schnell zu erlernen und bald in die
eigentliche Missionsarbeit einzutreten. Um nun diesen Missionaren die sehr
anstrengenden und bei der brennenden Hitze lebensgefährlichen, äußeren
Arbeit nach Kräften zu erleichtern, welche beim Anlegen einer Station und
beim Aufbau der Gebäude unvermeidlich sind, hat ihnen das heimische
Missionskomitee drei Handwerker - Brüder, zwei Zimmerleute und einen
Tischler, mitgegeben. Und außerdem haben sich zwei zuverlässige
christliche Zulu entschlossen, als Dienstboten zum persönlichen Dienst
der Missionare die Expedition auf ein Jahr zu begleiten. So war es eine
stattliche Schar von 10 Missionsleuten, die am 28. Juni 1891 in Durban,
der Hafenstadt von Natal, den Dampfer bestiegen. Nach den letzten
Nachrichten sind sie nach unruhiger Fahrt am 6. Juli wohlbehalten in
Kilimane eingetroffen, haben aber dort fast unüberwindliche
Schwierigkeiten getroffen, die sich ihrer schnellen Weiterreise zum Nyassa
entgegenstellten. Hoffentlich treffen sie noch bi spätestens Mitte
September auf ihren weitentlegenden Arbeitsgebiet ein, um noch vor
Einbruch der Regenzeit in den letzten Tagen des Novembers ihre vorläufige
Bauten soweit zu fördern, dass sie unter Dach und Fach kommen. Gott
geleite sie auf ihren gefährlichen und mühevollen Reise und gebe ihnen
und den Brüdern aus Herrnhut im Wakonde - Lande eine offene Thüre! *
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*) Während des Drucks sind ausführliche Nachrichten über die
Expedition von der Hand des Miss. - Sup. Merensky eingetroffen. Darnach
sind die Missionare in Blantyre fast einen Monat lang festgehalten und
sehr hart von Fieber heimgesucht.
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